Inge Meysel ist tot

Deutschlands wohl populärste Volksschauspielerin, Inge Meysel, ist tot. Die als "Mutter der Nation" bekannt gewordene Schauspielerin starb am Samstag den 10. Juli 2004 im Alter von 94 Jahren in ihrem Haus in Bullenhausen bei Hamburg an einem Herzstillstand. Schon seit langem lebte Inge Meysel allein in ihrer Villa am Elbdeich. Erst vor wenigen Wochen war sie nach einem längeren Krankenhausaufenthalt wegen eines Oberschenkeltrünnerbruches dorthin zurückgekehrt.

Inge Meysel wurde am 30. Mai 1910 als Tochter einer Dänin und eines jüdischem Tabakwarenhändlers in Berlin geboren. Sie debütierte 1939 in Zwickau in der Erstaufführung von Penzolt's "Etienne und Louise". Ihre Karriere begann allerdings erst nach dem Krieg, da auf das erste Engagement bald das Auftrittsverbot durch das NS-Regime folgte.

Die Erfahrungen dieser Jahre, so Meysel später, hätten sie geprägt und bewogen, beizeiten "den Mund aufzumachen".

Nach 1945 spielte sie am Thalia Theater und am Schauspielhaus in Hamburg. Ihr damaliger Ehemann war der Hamburger Schauspieler Helmut Rudolph.

Während ihrer zweiten Ehe mit dem 1965 verstorbenen Regisseur John Olden drängte sie vermehrt in Charakterrollen, und eroberte wenig später das Fernsehen. Den Durchbruch schaffte sie 1959/60 als Portiersfrau in dem Stück "Das Fenster zum Flur". In den letzten 40 Jahren hatte sie in mehr als 100 Fernsehproduktionen gespielt.

Den meisten Sehern ist Inge Meysel, die fast immer resolute Frauen des Alltags darstellte, wohl vor allem als Käthe Scholz aus der Serie "Die Unverbesserlichen" in Erinnerung. Die NDR-Produktion (1965 bis 1971), die die "Umbruchjahre" der Bundesrepublik sozialkritisch reflektierte, machte aus Inge Meysel eine der bekanntesten und beliebtesten deutschen Schauspielerinnen der Nachkriegszeit. "Sie sieht so klein und kindchenhaft und großäugig aus wie die italienische Schauspielerin Giulietta Masina. Aber sie wirkt bei aller Verletzlichkeit doch zäh, eine Kämpfernatur. Ihren Mann hat sie im Griff." So charakterisierte der Filmjournalist Harald Martenstein Käthe Scholz, die Protagonistin der "Unverbesserlichen". Er meinte damit aber wohl auch deren Darstellerin Inge Meysel, die - selber kinderlos - mit dieser Rolle lebenslang zur "Mutter der Nation" avancierte.

Bevor sie in ihren letzten Lebensjahren an Altersdemenz erkrankte und intensiver Betreuung bedurfte, war sie für ihre Scharfzüngigkeit gefürchtet und für ihre herzliche Direktheit geliebt.

Das 1,56 Meter große Temperamentbündel hat sich bis zuletzt gern eingemischt. Noch im Jahr 2000 machte sie Schlagzeilen, als sie sich in ihrem Dorf gegen die wegen Hochwassergefahr geplante Errichtung eines Schutzwalls wehrte und damit einen bühnenreifen "Deichkrieg" auslöste. Was andere von ihr hielten, war ihr nicht allzu wichtig. Das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse lehnte sie 1981 mit den Worten: "Einen Orden dafür, dass man anständig gelebt hat?" ab.

Ihre Popularität nutzte die deklarierte SPD-Wählerin auch, um sich unter anderem gegen die Diskriminierung von Frauen, gegen den Abtreibungsparagrafen und für gleichgeschlechtliche Beziehungen einzusetzen.

Trotz aller Popularität verstand Inge Meysel sich aber immer nur als eine "Handwerkerin in einem reproduzierenden Gewerbe". "Schauspieler müssen wissen, dass der Autor der eigentliche Künstler ist", sagte sie einmal.

Noch als über 90-Jährige war sie in Fernsehfilmen und Serien wie Tatort, Heimatgeschichten oder Polizeiruf 110 aufgetreten.

Einige ihrer wichtigen Rollen waren "Fenster zum Flur", Mutter Wolffen in "Biberpelz", Frau John in "Die Ratten", "Schmetterlinge sind frei" (1974) "Teures Glück" (1985), "Die Unverbesserlichen" (1965-71), "Mütter" (1975), "Ihr 106. Geburtstag" (1980), "Ein Kleid von Dior" (1982), "Die Richterin" (1990), "Des Teufels General" (1955), "Der Mustergatte" (1956), "Rosen für den Staatsanwalt" (1959), "Treffpunkt im Unendlichen" (1984), "Innige Feindschaft" (1989).

Deutschland hat nicht nur eine hervorragende Schauspielerin, sondern auch eine große Persönlichkeit verloren.

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